Mein Jakobsweg – Teil 1

Wie alles begann…

Einige von euch haben es hier oder auf Instagram vielleicht schon mitbekommen, ich habe den Jakobsweg für mich entdeckt.

Das Wandern war schon immer meine Art, zur inneren Ruhe zu finden. Es gibt mir Raum, um meinen Gedanken nachzuhängen und meinen Geist frei werden zu lassen. Auch darüber habe ich hier auf dem Blog bereits geschrieben – immer auf der Suche nach der inneren Balance, nach Freiheit und letztendlich nach mir selbst.

Im Alltag gelingt mir das bis zu einem gewissen Grad, aber manchmal fehlt einfach die Zeit und Ruhe dafür und, trotz aller Fortschritte, falle ich wieder zurück in alte Muster.

In den letzten zwei Jahren war mein Leben ständig im Wandel. Mit 57 Jahren befinde ich mich in einer Phase der Neuerfindung, des Umbruchs. Im letzten Sommer wurde der Gedanke, alleine eine längere Wanderung zu unternehmen, während meiner Spaziergänge und Wanderungen immer konkreter.

Aber warum ausgerechnet der Jakobsweg?
Vielleicht, weil er einem als erstes in den Sinn kommt, wenn man an eine lange Solo-Wanderung denkt.

Es ist ein Weg, den bereits viele Menschen gegangen sind, ein Weg, der bekannt und erschlossen ist – also dachte ich, werde ich dort nicht allein sein. Und obwohl ich nicht besonders gläubig bin, zog mich die Idee an.

Doch ich konnte meinen Job nicht einfach hinschmeißen, alles und jeden hinter mir zurücklassen und wochenlang loswandern, dazu kommt dann auch noch die finanzielle Seite der Dinge.

Außerdem hatte ich keinerlei Erfahrung mit Mehrtages-Wanderungen. Klar, ich hatte schon einige Wanderungen unternommen, auch in den Alpen, aber nie länger als ein paar Stunden.

Dennoch hatte ich das Gefühl, dass ich jede Entfernung, die ich zu Fuß zurücklege, bewältigen kann. Zu Fuß geht immer, und weit und lange auch.

Aber eine solche Reise erfordert eine sorgfältige Planung. Also nichts mit spontan. Aber ich hatte mich nun mal fest vorgenommen, diesen Weg zu gehen und dann muss ich es eben auf meine Art und Weise tun!

Ich erinnerte mich an eine Mitarbeiterin, die mir einmal erzählte, sie wäre den Jakobsweg irgendwo hier in der Nähe am Wochenende gegangen.

Also begann ich zu recherchieren und fand heraus, dass der bekannte Jakobsweg, wie wir ihn kennen, eigentlich nur das letzte Stück vor Santiago de Compostela ist – die letzten 200 km. Die Hauptroute des Jakobswegs, der Camino Francés, erstreckt sich über beeindruckende 800 km durch Spanien. Ab Nürnberg sind es sogar circa 2.700 km.

Doch aus ganz Europa führen sogenannte Zubringerwege nach Frankreich und Spanien und verbinden den Hauptweg mit anderen Regionen Europas.

Und meine Heimatstadt Nürnberg liegt mittendrin. Hier haben wir sogar ein Pilgerzentrum. Der Weg hier in Nürnberg startet an der Jakobskirche, über die ich schon in anderem Zusammenhang hier auf dem Blog berichtet habe.

Um mich dem Thema Jakobsweg zu nähern, beschloss ich, mit einer Tagestour zu beginnen, einfach um zu sehen, wie es ist, eine Strecke von ca. 25 km alleine zu gehen. Komme ich mit der Kondition und dem Mindset zurecht? Werde ich den Weg finden oder mich verlaufen? Was werden die Challenges sein? Komme ich mit meiner Ausrüstung klar, oder werde ich noch etwas brauchen?

In Nürnberg treffen die „oberfränkischen Jakobswege“ zusammen. Durch Nürnberg verläuft der Weg „Prag-Tillyschanz-Rothenburg“ und der Weg „Nürnberg-Ulm-Bodensee“ startet hier. Ich entschied mich für letzteren und plante die erste Etappe, 24,1 km, von Nürnberg nach Schwabach.

Ich legte einen Tag fest, vereinbarte mit meinem Mann, dass er dann auf Abruf sei, für den Fall, dass ich keine Lust mehr habe, mich verlaufe oder im besten Fall, um mich am Ende des Tages abzuholen.

Laut meinen Recherchen sollte diese Tagesetappe 6 Stunden dauern, ich rechnete jedoch mit sieben und freute mich darauf, endlich loszugehen und mit mir allein auf dem Jakobsweg zu sein.

Einziges Manko bei meinen Planungen war das Pilgerzentrum hier in Nürnberg. Ich wollte meinen Pilgerpass nicht online bestellen, sondern im Pilgerzentrum vor Ort erwerben. Ich war bereits mehrmals dort gewesen, aber es hatte immer geschlossen, selbst während der sowieso schon spärlichen Öffnungszeiten.

Dann kam der 16. September, der Tag vor meiner geplanten ersten Wanderung. Und ihr wisst es ja selbst, es kommt immer alles anders…

Aber dazu muss ich etwas weiter ausholen. Ich hatte (habe immer noch) eine beste Freundin, Anita. Unsere Leben haben sich in den letzten Jahren auseinanderentwickelt, ohne dass wir es wollten, ohne dass etwas vorgefallen wäre. (Anita würde jetzt sagen: Lüge, du wolltest nur noch vom Balkon aus mit mir sprechen, Sigi).

Was coronabedingt anfing, führte dazu, dass der Kontakt abbrach und ich sogar Anitas Geburtstag in 2023 vergaß. Gar kein Kontakt mehr, aber wir waren beide wohl traurig darüber.

Zurück zum 16. September 2023. Nach einem weiteren erfolglosen Versuch, einen Pilgerausweis zu erstehen, war ich auf dem Rückweg nach Hause und unterhielt mich mit Bekannten auf der Straße. Plötzlich stand aus dem Nichts Anita neben mir, sprach mir ein Schimpfwort ins Ohr, und ich nahm sie in den Arm. Unsere gemeinsame Welt war wieder in Ordnung.

Es war ein Samstag, ich hatte nichts weiter vor, kam gerade aus der Stadt, und Anita plante, in die Stadt zu gehen. Also schloss ich mich ihr spontan an. Nach drei Jahren ohne Kontakt hatten wir uns viel zu erzählen. Es war, als wäre kein Tag vergangen.

Wir hatten viel Spaß an diesem Nachmittag und ich erzählte Anita natürlich auch von meinem Vorhaben. Sie sagte spontan: „Morgen habe ich nichts vor, ich komme mit“.

Irgendwann landeten wir an diesem Tag auch noch auf dem Altstadtfest.

Ich: „Ich darf nix trinken, muss früh nach Hause, will ja morgen los.“ Anita: „Ein Glas geht schon.“

Es wurde mehr als ein Glas und am Ende überlegte Anita kurz, ob sie nicht doch kneifen sollte. Aber sie steht immer zu ihrem Wort!

Irgendwann am frühen Abend wackelten wir beide guter Dinge und etwas angeschickert aus der Stadt nach Hause. Anita bekam noch einen kleinen Rucksack von mir ausgeliehen und wir verabredeten uns für den nächsten Morgen um 6.45 Uhr vor meiner Haustür.

Wie es mit unserer ersten Etappe weiterging, lest ihr demnächst hier. Jetzt wisst ihr aber schon einmal, warum ich nicht alleine auf dem Jakobsweg unterwegs bin und dass wir beide keinen Pilgerausweis hatten, was ich persönlich als Must-have empfinde, wenn man sich auf den Weg macht.

Auf Instagram haben bereits einige von euch geschrieben, dass sie gerne wandern oder bereits Teile des Jakobswegs gegangen sind. Ich freue mich auch hier über eure Kommentare dazu.

8 Comments

  1. Ich bewundere euch aus tiefstem Herzen. Das ist eine tolle Sache. Ich war einmal mit einer Freundin 4 Tage zwischen Bad Gögging, Riedenburg und Kelheim unterwegs. War eine unvergessliche Erfahrung. Vielleicht nehmt ihr mich ja mal ein Stück mit. Oder ich gehe durch den Böhmerwald. Wenn ich mich traue. Liebe Grüße Ursula

    • Ein paar Tage kannst du uns gerne mal begleiten liebe Ursula. Die Strecke, die du mit deiner Freundin gegangen bist klingt auch gut. Liebe Grüße, Sigi

  2. Das klingt sehr interessant und spannend. Von vielen habe ich schon gehört wie beeindruckend der Jakobsweg ist. Die Art wie du ihn angehst finde ich sehr interessant. Ich bleibe dran!

    • Danke Roswitha, ja, ich wollte mir nicht ein paar Wochen Urlaub/Auszeit nehmen, nach Spanien fliegen und die letzten 300 km laufen. Auf meinen Wegen hier durch die Stadt sind mir immer wieder Muscheln begegnet und dann habe ich zum Recherchieren angefangen, da ich ja auch bei dem Wort Jakobsweg nur Santiago im Kopf hatte.
      Liebe Grüße, Sigi

  3. Ja, der Jakobsweg hat eine gewisse Anziehungskraft. Ich, für mich, habe ihn abgeschrieben. Ich werde in diesem Jahr 70 und ich weiß, was ich kann und nicht kann. Eine meiner Nichten ist vor, ich weiß nicht genau wann, den Jakobsweg in Spanien gegangen. Nach Spanien geflogen und dann bis Santiago de Compostela gewandert. Sie ist allein unterweg gewesen. Ich habe hier den wunderschönen Elm vor der Haustür (Frage in Kreuzworträtseln: Höhenzug in Niedersachsen), der reicht mir. Ich freue mich schon, wenn die Apfel- und Kirschbäume blühen, dann am Waldrand vorbeigehen und über das Blütenmeer schauen.
    Ich verfolge deine Etappen des Jakobswegs immer mit großem Interesse. Toll machst du das.
    Liebe Grüße
    Gudrun

    • Ja, liebe Gudrun, es wäre schon ein Traum, die ganze Strecke bis Santiago zu laufen. Aber man weiß ja nie was kommt, und in dem Tempo (bzw. die Zeit, die wir uns dafür nehmen können), das wir drauf haben, wird es ein paar Jahre dauern, und am Ende kommt es immer anders. Liebe Grüße, Sigi

  4. Liebe Sigi, das freut mich total, dass du das endlich umsetzen konntest. Ich kann mir das sehr schön vorstellen und würde auch sofort an den Jakobsweg denken. Ich bin ja im letzten Urlaub nur alles zu Fuß gegangen, habe ich ja im Blog erzählt und wie es so schön heißt „das macht was mit einem“.

    Und habe ich schon erwähnt? Ich liebe den französischen Film „Pilgern nach Saint Jacques“, sehr lustig.

    Liebe Grüße Sabina

    • Der Film ist aber auch gut liebe Sabina, ja, ich freue mich auch, dass ich das mit dem Jakobsweg mit meiner Freundin machen kann. Wenn auch immer nur ein paar Tage, aber vielleicht irgendwann auch einmal ein längeres Stück.
      Herzliche Grüße und guten Wochenstart. Sigi

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